Eure Kommentarspalten werden mit Desinformationen, Aufrufen zu Gewalt, aufhetzenden Kommentaren, Lügen und Verdrehungen geflutet. Es fehlen Klarstellungen! Vor allem aber fehlen Aufforderungen zur Unterlassung und das Sanktionieren von Beleidigungen und Beschimpfungen. Was soll denn das?
Unter solchen Kommentaren werden dann noch viele Likes und Bestätigungen hinterlassen. Wir haben oft genug darauf hingewiesen, dass nur wenige Personen durch mehrfache Accounts in den Kommentarspalten den Eindruck einer Mehrheit erzeugen wollen. Online-Wahlkampfhelfer verabreden sich auf genau solchen Medien-Seiten, auf denen sie ungestört kübeln und ihre Botschaften verbreiten können.
Eure Facebookseiten verkommen zu riesigen Echokammern. Und anscheinend interessiert es Euch nicht. Das ist fahrlässig!
Täglich schlagen wir uns auf Euren Seiten mit Fake- und Mehrfachprofilen herum, müssen uns auslachen und dumm anmachen lassen. Wenn es in der Meldung um eine Gewalttat geht, wünscht man uns: „Hoffentlich trifft es euch mal!“
Ein besonderes Beispiel ist die Facebook-Seite von ZDF heute: Wir alle bezahlen die Rundfunkgebühr und damit auch den Facebook-Auftritt, die Redakteure und die Aufbereitung des Social-Media-Contents. Und ich sehe es wirklich nicht ein, dass mich Trolle, Fake-Profile und Sockenpuppen von den Seiten einer durch die Allgemeinheit finanzierten Medienanstalt verjagen.
Ganz deutlich: Natürlich möchte ich nicht, dass die Meinungsfreiheit eingeschränkt wird. Probleme müssen selbstverständlich aufgezeigt werden, aber bitte mit Augenmaß. Es geht nicht um „Meinungsdiktatur“. Schon das Wort ist Unfug. Die Meinungsfreiheit wird vielmehr von denen gefährdet, die mit ihren Kampagnen Eure Kommentarspalten dominieren. Ihr überlasst ihnen willig das Feld.
Ich bin es leid, dass wir seit Monaten vor diesem Missbrauch der Kommentarspalten warnen, ohne dass Ihr etwas dagegen unternehmt. Ich bin fest davon überzeugt, dass eine Regulierung durch Moderation einen mäßigenden Einfluss hätte.
Ihr lasst zu, dass Diskurs von Euren Seiten vertrieben wird. Er findet einfach nicht statt, weil wir uns damit beschäftigen müssen, dass Accounts den Holocaust relativieren, die Todesstrafe fordern oder Gewalt- und Selbstjustizphantasien online ausleben.
Natürlich müssen auch wir uns immer wieder fragen, ob wir bereit sind, andere Meinungen zu akzeptieren oder eventuell Menschen zu Unrecht und zu schnell in eine Ecke stellen. Keine Frage.
Und dennoch, liebe Facebook-Redakteure: Denkt bitte darüber nach, ob Ihr Euch zum Werkzeug von Leuten machen lassen wollt, die unseren Staat kaputt machen wollen. Mit dem immer fortwährenden Schüren von Ängsten und dem Anzweifeln des Rechtsstaats. Und ob Ihr populistische Propaganda bis hin zu Verschwörungstheorien, massiven Desinformationen und Verharmlosungen der Nazizeit auf Euren Seiten haben möchtet.
Viele Grüße
Alex Urban für die Aktionsgruppe #ichbinhier
ichbinhier wünscht sich von Online-Medien:
1. Weniger Triggerthemen!
2. Fakten statt Spekulation!
3. Verzichtet auf Clickbaiting. Seriöser Journalismus kommt ohne aus.
4. Geht verantwortungsbewusst mit Eurer Reichweite um!
5. Macht Eure Kommentarspalten zum Wohlfühlort für Demokraten!
6. Steht für journalistische Qualität ein!
Edit:
- Die Medienanstalt NRW zeigt in ihrer Studie praktische Maßnahmen auf, die die Diskussionskultur maßgeblich verbessern: https://www.medienanstalt-nrw.de/service/pressemitteilungen/pressemitteilungen-2018/2018/juni/dont-feed-the-trolls.html
- In unserer Studie in Kooperation mit dem Institute for Strategic Dialogue haben wir nachgewiesen, wie Rechtsextreme die Kommentarspalten großer Medienseiten bewusst als Propagandafläche nutzen. https://www.isdglobal.org/wp-content/uploads/2018/07/ISD_Ich_Bin_Hier_2.pdf
- Die Studie des Instituts für Demokratie und Zivilgesellschaft (IDZ) Jena im Auftrag von Campact zeigt, dass die Meinungsfreiheit im Netz durch Hassrede eingeschränkt wird. Die Autoren sprechen von einem “schleichenden Angriff auf unsere Demokratie”. https://www.idz-jena.de/newsdet/hass-im-netz-der-schleichende-angriff-auf-unsere-demokratie/