Erste Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität

Dezember 21, 2019/0/0

Mit Spannung haben wir den Entwurf aus dem BMJV zur Verschärfung des Kampfes gegen Hasskriminalität erwartet. Seit der Referentenentwurf vom 13. Dezember 2019 vorliegt, verfolgen wir die Debatte hierzu mit Unbehagen. Bevor wir uns in die Weihnachtspause verabschieden, veröffentlichen wir eine erste Stellungnahme zu dem Gesetzesvorhaben, die wir gemeinsam mit Das NETTZ, Campact, der Amadeu Antonio Stiftung und Reconquista Internet verfasst haben. Im neuen Jahr melden wir uns dann mit einem detaillierten Statement zu Wort. 

 

Stellungnahme aus der Zivilgesellschaft zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität (20.12.2019)

Wir begrüßen das gestiegene Bewusstsein dafür, dass Hassrede, Hasskriminalität und Rechtsextremismus auch im Internet eine große Herausforderung darstellen. Viele der im Referentenentwurf vom 13. Dezember vorgesehenen Maßnahmen sind überfällig. Einige jedoch erscheinen – bei zweifelhaftem Nutzen – höchst problematisch, während andere Maßnahmen, die wir als Zivilgesellschaft bereits seit geraumer Zeit fordern, sich nicht in dem Entwurf wiederfinden. Reinen Aktionismus gegen Rechtsextremismus halten wir nicht für sinnvoll. Wer die Netzcommunity auf seiner Seite haben will, muss sensibel sein, wenn es um Freiheitsrechte und Datenschutz geht.

Die Justiz benötigt mehr Ressourcen

Wir unterstützen den geplanten Stellenzuwachs beim BKA. Effiziente Strafverfolgung findet jedoch in den Ländern statt. Eine personelle Verstärkung muss deshalb auch bei den Landeskriminalämtern, den Staatsanwaltschaften und den Gerichten erfolgen. Die Einschätzung, dass nur geringfügige Mehrkosten bei der Justiz entstehen, ist wenig nachvollziehbar: Die geplante Meldepflicht und eine Stärkung des BKA werden eine Fülle von Ermittlungsverfahren zur Folge haben. Kommt es zu entsprechend vermehrten Anklagen im Bereich der Hasskriminalität, dann wird sich dies auch in der Belastung der Amtsgerichte bemerkbar machen. Es wäre kontraproduktiv, falsche Hoffnungen zu wecken. Wenn die Menge an zu erwartenden Fällen nicht zu bearbeiten ist, besteht die Gefahr, dass die Frustration über die Bearbeitungszeiten bei Polizei und Justiz weiter wächst, die Akzeptanz in der Bevölkerung und vor allem auch bei Betroffenen weiter abnimmt und diejenigen, die Hassrede als politisches Instrument nutzen, weiterhin größtenteils straffrei bleiben. Zudem verpufft der gewünschte Abschreckungseffekt. Betroffene werden durch ausbleibende Strafverfolgung weiterhin entmutigt, Hassdelikte überhaupt zur Anzeige zu bringen.

Erst Anfangsverdacht für Straftat prüfen, bevor Daten gespeichert werden

Sinnvoller als eine Meldung direkt ans BKA wäre eine Meldung an spezialisierte Staatsanwaltschaften. Diese könnten zunächst prüfen, ob ein Anfangsverdacht für eine Straftat vorliegt, damit nicht unnötig viele polizeiliche Kapazitäten durch Ermittlungen zu Inhalten gebunden werden, die nicht strafbar sind. Damit wird auch verhindert, dass das BKA Daten von Menschen speichert, die keine Straftaten begangen haben. Hasskriminalität darf nicht als Vorwand verwendet werden, um umfassende Überwachungsrechte für eine größtmögliche Menge an Behörden zu schaffen. In diesem Zusammenhang ist auch zu erwähnen, dass wir das Vorhaben, die Provider zur Herausgabe auch von Passwörtern an behördliche Stellen zu verpflichten, mit Blick auf den Datenschutz für hoch bedenklich und nicht durchführbar halten.

Meldewege erleichtern

Konkrete Regelungen zu Transparenz und effektiven Kontrollmechanismen für eine korrekte Be- handlung der NetzDG-Meldungen (Erfassung und Bearbeitung) fehlen in dem Referentenentwurf genauso wie spezifische, gesetzliche Vorgaben über die Erreichbarkeit der Meldeoptionen.

 

Mehr Infos

Wir empfehlen den Austausch mit der ZAC NRW (Zentral- und Ansprechstelle Cybercrime) und der ZIT Hessen (Zentralstelle zur Bekämpfung der Internet- und Computerkriminalität).

Wir Unterzeichner*innen dieser kurzen Stellungnahme arbeiten an einer ausführlichen Stellungnahme, die wir im Januar 2020 veröffentlichen.

Inhaltliche Rückfragen an info@das-nettz.de, gulde@campact.de, kontakt@hassmelden.de, sonja.boddin@ichbinhier.online oder belltowernews@amadeu-antonio-stiftung.de

Unterzeichner*innen

Amadeu Antonio Stiftung
Campact e.V.
Das NETTZ – Vernetzungsstelle gegen Hate Speech ichbinhier e.V.
Reconquista Internet / Hassmelden

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